Die COVID-19-Pandemie macht mehr als deutlich, warum die Digitalisierung im Gesundheitswesen viel stärker vorangetrieben werden muss. Unternehmen mit hoher Kompetenz bei Interoperabilität und Plattformtechnologien sind dabei natürliche Ansprechpartner. Volker Hofmann, Manager of Healthcare bei InterSystems, empfiehlt, das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) zum Anlass zu nehmen, eine systematische Digitalstrategie zu entwickeln.
Interview mit Volker Hofmann, E-Health-Com 6/2020
Herr Hofmann, die Pandemie hat uns weiterhin im Griff, auch in der Gesundheits-IT. Wie hat sich InterSystems auf die Situation eingestellt, und wie unterstützen Sie Ihre Kunden?
Hofmann: Durch eine Reihe „weicher“ Maßnahmen und durch ganz konkrete Hilfe bei der COVID-19-Responsiveness. Wir haben weite Teile unseres Geschäftsalltags sehr früh in die Online-Welt verlegt, und das gleiche gilt für die Kundenkontakte. Unser traditioneller InterSystems Partnertag fand dieses Jahr komplett virtuell statt. Und wir nutzen für digitale Messeszenarien einen eigenen virtuellen Messestand mit persönlichen Besprechungsräumen, was sehr gut angenommen wird.
Und an der Front?
Hofmann: Da haben wir schon im März in unserem klinischen Informationssystem InterSystems TrakCare® ein auf den WHO-Vorgaben basierendes Formular zur Identifizierung von COVID- 19-Fällen integriert. Und wir haben zum Beispiel die COVID-19-Klinik des Krankenhauses Policlinico Agostino Gemelli in Rom innerhalb einer Woche mit unserem KIS ausgestattet. In Nebraska wurde die auf InterSystems HealthShare® basierende Plattform „Nebraska Health Information Initiative Hub“ bereits im April um ein COVID-19-Dashboard erweitert, um transparent Daten für eine koordinierte Pandemiereaktion zusammenzuführen, ganz ähnlich in Deutschland am Universitätsklinikum Jena. Die Liste ließe sich fortsetzen. Gerade Integrations- und Dashboard-Projekte sind dank unseres Fokus auf Interoperabilität sehr schnell und unbürokratisch umsetzbar. Dazu kommt, dass wir hoch engagierte Mitarbeiter haben, nicht wenige Ärzte und Pflegekräfte. Die haben in Italien und anderenorts teilweise am Wochenende ihre alten Kollegen bei der Versorgung unterstützt. Das ist wirklich enorm.
Jenseits der Pandemie-Responsiveness: Wo sind derzeit Ihre inhaltlichen Schwerpunkte?
Chronisches Disease Management war und ist ein ganz klarer Schwerpunkt. Hier hat gerade Deutschland viel Nachholbedarf. Digitalisierung ist mehr als nur Telemedizin. Ein Kernprojekt ist für uns aktuell die elektronische Diabetesakte (eDA), die wir mit der Deutschen Diabetes Gesellschaft e.V. (DDG) vorantreiben. Auch hier liegt der Fokus ganz stark auf Interoperabilität: Die DDG definiert Teilkomponenten eines Diabetesdatensatzes, die bei der KBV in den MIO-Prozess einfließen sollen und so ihren Weg in die elektronische Patientenakte (ePA) der gematik finden werden. Durch diese Standardisierung werden wünschenswerte Mehrwertanwendungen aller Art möglich, bei der eDA der DDG zum Beispiel Clinical Decision Support. In der Schweiz haben wir ein ähnlich gelagertes Projekt, auch eine Diabetes-Fachakte. Dieser ganze Bereich der Fachakten wird ein großes Thema in den nächsten Jahren. Den Bedarf gibt es auch in der Kardiologie, bei der Multiplen Sklerose und in vielen anderen Bereichen. Unser Ziel ist es, solche Fachakten zu einem gewissen Grad generisch zu bauen und sie dann auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Fachrichtungen zu adaptieren.
Und diese Plattformen sind dann die Grundlage für algorithmische Anwendungen aller Art?
Genau. Beim Thema künstliche Intelligenz und Maschinenlernen haben wir eine Enabler-Funktion. Wenn Sie mir eine Analogie erlauben: Die Lebenserwartung ist in den letzten 200 Jahren deswegen so stark gestiegen, weil es breiten Zugang zu sauberem Wasser gab. Der nächste Sprung nach vorne in Sachen Bevölkerungsgesundheit wird breiter Zugang zu gesunden und sauberen Daten sein. Homogenisierte, deduplizierte, qualitätsgesicherte Daten sind die Voraussetzung für viele Use Cases im Bereich chronische Erkrankungen. Dazu braucht es noch ein paar Basisfunktionalitäten für die Algorithmenentwicklung. Genau hier stehen wir als InterSystems bereit: Unsere Datenplattform InterSystems IRIS for HealthTM unterstützt zahlreiche Datenmodelle und Datentypen und bietet außerdem Technologien, die den Entwicklern von Algorithmen das Leben erleichtern. Nur ein Beispiel: Eine unserer Technologien im Rahmen von IRIS for Health erlaubt es Entwicklern, Fragestellungen quasi in Prosa zu formulieren und Modelle auf dem realen Datensatz zu testen – etwa: „Wie wahrscheinlich ist eine stationäre Wiederaufnahme innerhalb der nächsten vier Wochen?“ Das kann enorm hilfreich sein.
Technisch nutzen wir unter anderem das Entwicklungs-Framework SMART on FHIR. Darauf basierende Anwendungen lassen sich nahtlos in HealthShare integrieren. Das alles zeigt, warum wir unsere Plattformen quasi als Grundvoraussetzung für KI und Maschinenlernen ansehen.
Innovation will finanziert werden. Hier hat die Bundesregierung als unmittelbare Reaktion auf die Pandemie das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) auf den Weg gebracht und sieht darin ein klares Bekenntnis zu einer IT-technischen Modernisierung der Krankenhäuser. Sehen Sie das auch so?
Absolut, das gliedert sich gut ein in andere politische Initiativen wie die Medizininformatik-Initiative und das COVID-19-bezogene Netzwerk Universitätsmedizin. Das KHZG ist ein hervorragender Schritt, um den Innovationsstau in den Krankenhäusern aufzulösen. Das Bewusstsein dafür ist gerade in den mittleren und größeren Häusern schon länger da. Aber wenn, wie in Deutschland, nur 1,5% bis 2,5% des Jahresbudgets für IT zur Verfügung stehen, sind die Möglichkeiten begrenzt. Die hohen Summen, die das KHZG bereitstellt, werden einen deutlichen Schub bewirken, da bin ich mir sicher.
Wie sollten Krankenhäuser mit den Möglichkeiten, die das KHZG bietet, umgehen?
Wichtig ist aus unserer Sicht, dass nicht nur Anträge für Softwareprodukte geschrieben werden, die ohnehin schon lange auf der Anschaffungsliste stehen. Das ist ein Teilaspekt, aber darüber hinaus sollte das KHZG der Anlass für strategische Überlegungen sein. Es ist die einmalige Chance, über IT als einen strategischen Enabler für die nächsten Jahre nachzudenken: Was sollte IT für uns als Krankenhaus leisten? Wie kann IT das Krankenhausgeschäft beleben, wie die Qualität und die Patientensicherheit verbessern? Wie halte ich es mit der Verzahnung von Versorgung und Forschung? Das sind Fragen, die jetzt gestellt werden sollten. Dank unserer Plattformtechnologien sind wir bei InterSystems bei vielen dieser Fragen ein naheliegender Ansprechpartner. Dass das auch im Markt wahrgenommen wird, merken wir übrigens daran, dass sich unser Wachstumskurs im Healthcare-Bereich in diesem Jahr fortsetzen wird. Wir stellen derzeit sogar Mitarbeiter ein, und wir werden mit Finanzdienstleistungen und dem Internet-of-Things zwei neue Bereiche besetzen, die natürlich auch Bezug zum Gesundheitswesen haben.