Das Gesundheitswesen ist seit jeher von Technologie und Innovation geprägt. Die Liste der bedeutenden Fortschritte, die zu wichtigen Veränderungen geführt haben, ist beeindruckend: sauberes Wasser, die Einführung der Narkose, die Erfindung des Stethoskops, die Entwicklung der Krankenpflege zu einem qualifizierten Beruf, die Mikrobiologie, Impfungen, Röntgenstrahlen – die Liste ist fast unerschöpflich. Alle diese Entwicklungen tragen eine hohe Bedeutung, und sie alle haben grundlegende Veränderungen bewirkt.
Bei all diesen Veränderungen gab es jedoch eine Konstante: Im Zentrum der Gesundheitsversorgung stand die persönliche Beziehung zwischen Arzt/Ärztin und Patientin/Patient. Die Dinge wurden komplizierter, als wir Krankenhäuser, Kostenträger und neue Technologien einführten, doch diese grundlegende Beziehung zwischen Patient und Arzt veränderte sich kaum.
Heute aber beobachten wir in den USA sogar in dieser Hinsicht einen Wandel: Patienten übernehmen eine aktivere Rolle in Bezug auf ihre Gesundheit und ihre Entscheidungen und erwarten Leistungen, wann und wo auch immer sie diese wünschen. Und Unternehmen wie CVS, Amazon, Best Buy, Walmart erbringen immer mehr Gesundheitsleistungen. All dies führt dazu, dass dieses Beziehungs-Herzstück in der Versorgung möglicherweise aus dem Fokus rückt.
Wir befinden uns heute an einem Wendepunkt in der Entwicklung der Medizin. Es scheint, dass wir in einer Zeit leben, die wie kaum eine andere von tiefgreifenden Veränderungen geprägt ist. Denn die Kräfte, die den Wandel vorantreiben, nehmen auch Einfluss auf diese fundamentale Arzt-Patient-Beziehung. Wer oder was sind diese Treiber? Die Wirtschaft. Das Konsumverhalten. Technologien.
Die Wirtschaft
Weltweit betrachtet ist das Gesundheitswesen eine 10-Billionen-Euro-Branche. Da verwundert es nicht, wenn Investoren extremes Interesse an Startups im Gesundheitswesen zeigen und dort fünfmal mehr investieren als in anderen Sektoren. Bestehende US-Gesundheitsunternehmen wie Walgreens, Boots und Alliance weiten ihren Aktionsradius horizontal und vertikal aus, während große Einzelhandelsunternehmen wie Walmart und Best Buy investieren, um zu gewährleisten, dass das Gesundheitswesen einen erheblichen Anteil zu ihrem künftigen Wachstum beiträgt. Hinzu kommt eine alternde Bevölkerung mit immer komplexeren chronischen Erkrankungen, die eine fortlaufende Therapie erfordern. Im Ergebnis entsteht hier ein Markt, der nach innovativen, kostengünstigen Lösungen verlangt, die alle Normen sprengen.
Verbraucherverhalten als Treiber
Die Verbraucher in den USA sind nicht mehr bereit, ein Gesundheitssystem zu akzeptieren, das ihnen die Regeln vorgibt. Und Unternehmer jeglicher Couleur reagieren auf den wachsenden Bedarf mit einem orts- und zeitunabhängigen medizinischen Leistungsangebot auf allen Kanälen: Tests via E-Mail. Terminbuchungen online. Leistungserbringung dort, wo Kunden einkaufen, arbeiten oder Entertainment suchen. Und: Behandlungsmanagement auf dem Smartphone! Es gibt in mobilen US-Marktplätzen rund 350.000 Gesundheits- und Wellness-Apps. Jede von ihnen bietet eine D2C-, eine „direct-to-consumer“-Behandlungserfahrung. Digitale Diagnostik und Therapie verändern die Dynamik der Leistungserbringung und führen die Gesundheitsversorgung mit Gaming und Entertainment zusammen.
Die Technologien
Bis vor kurzem untermauerte der größte Teil der Medizintechnik die zentrale Rolle des Krankenhauses als dem Ort, wo medizinische Leistungen erbracht werden. Die Technik wurde immer umfassender, erforderte eine verstärkte Spezialisierung und mehr Monitoring durch Personal. Jetzt geht der Technologie-Trend in eine andere Richtung: Von Verbrauchern genutzte ausgeklügelte Wearables dienen verstärkt zum fortlaufenden Monitoring. Das Monitoring von Intensivpatienten geschieht heute aus der Distanz; KI analysiert radiologische Bilder, es gibt Chat Bots für psychische Gesundheit, und das Krankenhaus zu hause. Während wir immer noch Krankenhäuser und menschliche Behandler benötigen, setzen sich nun auch orts- und zeitunabhängige technologiebasierte Behandler durch.
Wo diese Kräfte zusammenkommen, entsteht ein Gesundheitssystem, das viele unserer traditionellen Annahmen infrage stellt, das viele Schwachstellen beseitigt und das Potenzial mitbringt, Ungleichheiten bei Zugang und Behandlungsergebnissen anzupacken.
Die Frage, die mir am häufigsten gestellt wird, lautet „Was bringt denn die Zukunft konkret?“. Ich überlasse es anderen Kommentatoren ihre Zeit damit zu vertun, hierzu Thesen aufzustellen! Lieber beschäftige ich mich mit Antworten auf die praktische Frage „Was ist Ihre Rolle in dieser Veränderung?“. In unserer Zeit des grundlegenden Wandels ist es wichtiger denn je, bestehende Strategien zu überprüfen, neu zu definieren und sich ihnen gegenüber erneut zu verpflichten.
Aus meiner Sicht sind hier vier Säulen von Bedeutung: In welchem Business möchten Sie sich engagieren? Welche konkreten Segmente wollen Sie bedienen? Wie lautet Ihr herausragendes Nutzenversprechen für die entsprechenden Kunden? Und wie sieht der Plan für den Weg zur Erreichung dieser Ziele aus? Wenn im Markt der Wind stürmisch aus jeder Ecke bläst, kann eine solide Strategie wertvolle Unterstützung dabei leisten, dass Sie im disruptiven Wandel auf Kurs bleiben und sich für vielfältige Versionen der Zukunft rüsten.
Dies ist wirklich eine spannende Zeit, um im Gesundheitswesen aktiv zu sein. Es gibt eine verstärkte Offenheit für Ideen, eine neu gefundene Zuversicht, dass wir den Wandel schnell herbeiführen können, und Nachfrage aus unseren Zielgruppen für eine neue Art der Leistungserbringung. Legen wir los!