Belgien lebt uns Innovation in der Altenpflege vor. In unserem Nachbarland adressieren Leistungserbringer im Gesundheitssektor und im Sozialwesen mit der „gelben Brotdose“ die Bedürfnisse älterer Menschen, die alleine zuhause leben. Aus einem erfolgreichen analogen Ansatz ist nun ein digitales Werkzeug mit interoperablen Daten entstanden.
Üblicherweise werden Ältere – nicht nur in Belgien – von mehreren Versorgern betreut. Die „Brotdose“ dient dazu, ihre Gesundheitsdaten diesen Pflegenden verfügbar zu machen. Die Dose enthält bislang Papierdokumente mit den wichtigsten Informationen zum Gesundheitsstand. Aufbewahrt wird sie im häuslichen Kühlschrank; ein Aufkleber an dessen Tür weist Besucher auf ihre Existenz hin. Bei jedem Besuch durch Mitarbeitende der Sozial- bzw. Gesundheitsdienste wird die Dose entnommen, die Dokumentation wird geprüft und auf den neuesten Stand gebracht und danach in den Kühlschrank zurückgelegt.
Aktuell haben rund 100.000 Senioren, die autonom leben aber Unterstützung benötigen, die Brotdose in ihrem Kühlschrank. Sie ist einfach zu nutzen, und jeder, der einen Stift zur Verfügung hat, kann die Informationen aktualisieren. Die Dose leidet jedoch an den Nachteilen analoger Lösungen: Sie ist nicht immer und überall verfügbar. So kann es sein, dass Betreuer wichtige Informationen etwa zu eingesetzten Blutverdünnern oder dem Vorliegen einer Nussprotein-Allergie nicht erfahren.
Eine ältere Dame aus Auderghem nahe Brüssel beschreibt ein solches Szenario. Mit ihrem Mann fuhr sie zum beliebten Bingospiel, keine zehn Kilometer von ihrer Wohnung. In der Bingo-Halle bekam der 91-Jährige ein ernstes Problem. Die „Brotdose“ befand sich zuhause – und zum Glück konnte sie den Medizinern mitteilen, dass er einen Blutverdünner nutzt. Wäre sie nicht vor Ort dabei gewesen, wäre er vielleicht nicht mehr am Leben.
Daher wird die Brotdose nun digital – und auch, weil die Pflegenden, Ärzte/Ärztinnen und Essenslieferanten, die in diese Wohnungen kommen, überlastet sind. Mitunter versäumen sie, die Informationen in der Dose auf den aktuellen Stand zu bringen. Außerdem sind Patientendaten in Belgien noch über verschiedene Versorger und Regionen verstreut.
Auf Initiative der Gemeinde erstellten daher InterSystems und zwei Softwareentwicklungsfirmen eine digitale Version. Vier Entwickler setzten unsere Datenplattform IRIS for Health und Programmiersprachen ihrer Wahl – Python und Java – ein und schlossen das Projekt in weniger als dreieinhalb Monaten ab. Die Gelbe-Brotdose-App beinhaltet Interoperabilitätsfeatures von IRIS for Health zum Austausch von Daten; gehostet wird sie in der Cloud. Mit DSGVO-Compliance und basierend auf Patientenzustimmung kann sie Patientendaten aus Krankenhäusern und weiteren Quellen einspeisen.
Anstelle der Dose im Kühlschrank haben App-Nutzer ein Computer-Tablet zuhause. Die Bedienoberfläche ist einfach und klar gehalten, um den Bedürfnissen der Älteren zu entsprechen. Sind sie unterwegs, ist über die Cloud der Zugriff auf dieselben Informationen möglich – für die Senioren auf deren Mobiltelefonen und für Versorger auf ihren jeweiligen Geräten. Betreuer mit der entsprechenden Berechtigung können die Informationen in der App einsehen und auch aktualisieren. Die Interoperabilitätsfeatures von IRIS for Health stellen sicher, dass neue Informationen zu den Quellsystemen zurück kommuniziert werden. Die App kann ferner Fragebogen zum Gesundheitszustand anbieten; so können Betreuer und Angehörige auch soziale Aspekte der Gesundheit adressieren. Das Notfall-Feature ermöglicht Betreuern ohne vorherige Autorisierung den Zugriff auf lebenswichtige Informationen, um rasche Hilfe leisten zu können.
Diese Transformation führt zu einem größeren Nutzen für Patient:innen, für Familien und Leistungserbringer dank orts- und zeitunabhängiger Kommunikationsmöglichkeit. Solche Lösungen für eine besser koordinierte Versorgung, erhöhte Patientensicherheit und die Freiheit von Sorgen bieten sich auch für Deutschland an!