Bis zuletzt gehört werden.
Immer mehr Menschen möchten auch die letzte Phase ihres Lebens
gestalten. Allein in Deutschland stieg die Zahl derjenigen, die eine Patientenverfügung verfasst haben, von 26 Prozent im Jahr 2012 auf 43 Prozent in 2017, so die Ergebnisse einer vom Deutschen
Hospiz- und Palliativverband beauftragten Studie1. Der Wunsch, zu Hause zu sterben, ist weit verbreitet, doch geht er für viele nicht in Erfüllung: Laut der Untersuchung „Faktencheck Gesundheit“2 der
Bertelsmann-Stiftung beschließt fast jeder zweite ältere Mensch sein Leben im Krankenhaus und nur 20 Prozent in der häuslichen Vertrautheit, obwohl 76 Prozent der Menschen lieber dort sterben würden.
Im Falle eines Notfalles: Royal Marsden und InterSystems setzen auf klare Kommunikation.
Auch die medizinischen Leistungserbringer ihrerseits wären durchaus gewillt, diesen Wunsch zu beherzigen, wenn sie nur davon wüssten. Dies ist viel zu selten der Fall. Genau dieser Herausforderung hat sich die in London beheimatete Royal Marsden Klinik angenommen. Gemeinsam mit Technologiepartner InterSystems hat sie das Konzept einer standardisierten digitalisierten Patientenverfügung entwickelt. Die ePatientenverfügung ist seit August 2010 unter dem Namen „Coordinate My Care“ (CMC) kostenfrei verfügbar und basiert auf der interoperablen E-Health-Produktfamilie InterSystems HealthShare®.
CMC ermöglicht es auf diese Weise, Informationen innerhalb eines Netzwerkes von Behandlern und Rettungskräften auszutauschen. Dadurch wird sichergestellt, dass in Notfällen, unabhängig von der
Verfügbarkeit der mit einem Patienten vertrauten Behandler, die Wünsche des Erkrankten bekannt sind und ihm so eine unnötige Hospitalisation erspart werden kann. David Whitmore, leitender klinischer Berater des Londoner Rettungsdienstes, spricht aus eigener Erfahrung: „Coordinate My Care hat die Art und Weise, wie Patienten behandelt werden, radikal verändert. Zuvor waren wir uns nicht über den Pflegeplan sicher und haben vielleicht Menschen ins Krankenhaus eingeliefert, auch wenn es nicht das Beste für sie war. CMC hat das geändert, sodass Patienten die Pflege erhalten können, die sie sich wünschen.“
Der Wirkungskreis von „Coordinate My Care” wächst
Gegenwärtig haben mehr als 100.000 Menschen in London eine CMC-Patientenverfügung angelegt und alle Londoner Krankenhäuser und Rettungsdienste können auf diese zugreifen. Bereits über 1.000 Hausärztinnen und -ärzte in London helfen ihren Patienten beim Verfassen und Validieren ihres CMC-Plans. Dadurch wird sichergestellt, dass relevante Informationen wie Vorerkrankungen, Art der gewünschten Notfallbehandlung, Medikamente und deren Aufbewahrungsort, Kontaktdaten des
behandelnden Arztes und nächster Angehöriger sowie der präferierte Sterbeort sorgfältig erfasst werden und auf dem neuesten Stand sind.
CMC wurde seit der Einführung am Royal Marsden Krankenhaus vor 10 Jahren schrittweise weiterentwickelt. Ursprünglich war CMC nur dort verfügbar und die Patienten-verfügung musste von einem Arzt initiiert werden. Mit der Zeit hat die Anzahl der Krankenhäuser und Hausärzte in London zugenommen, die einen CMC-Plan mit ihren Patienten anlegen. Im Mai 2019 hat der NHS eine Modifikation der CMC-Applikation unter dem Namen „MyCMC“ gelauncht, die es Londonern erlaubt, ihre Patientenverfügung online anzufertigen und diese anschließend von einem Arzt ihres Vertrauens begutachten und freischalten zu lassen. Auch diese Version wird vom Royal Marsden gehostet.
Win-Win: Die beste Versorgung in den schwersten Zeiten
Professor Julia Riley, Leiterin der Palliativmedizin am Royal Marsden und klinische Leiterin von CMC, zieht in einem Beitrag im Health Service Journal3 vom 7. Juni 2020, eine positive Zwischenbilanz über CMC: Von den bis zu diesem Frühsommer 40.149 verstorbenen Personen mit einer CMC -Patientenverfügung, konnten 74 Prozent derjenigen, die ihren Wunschort angegeben hatten, auch dort ihr Leben beenden. Dies war bei einer Vielzahl das eigene Zuhause.
Für den NHS hat CMC auch darüberhinausgehende Vorteile: Eine Untersuchung4 kam zu dem Schluss, dass jeder Verstorbene, der eine CMC-Patientenverfügung hatte, durchschnittlich zu einer Nettoersparnis des englischen Gesundheitssystems von £2.100 beiträgt, da die Kosten für eine Hospitalisation entfallen. Dies führe allein in London zu geschätzten jährlichen Einsparungen von £16,8 Millionen und im Falle eines englandweiten Einsatzes von CMC könnten sich diese pro Jahr auf mehr als £556 Millionen belaufen.
Neben dem finanziellen Nutzen hat CMC einen hohen emotionalen Wert für alle Beteiligten: Sterbende können bis zuletzt ihre Wünsche umsetzen und ihre Angehörigen sind erleichtert, sich darauf verlassen zu können, dass diese Wünsche bekannt sind und respektiert werden. Auch Rettungsdienstmitarbeiter, Ärzte und Pflegende empfinden es als entlastend, einen Patienten in dessen Sinne versorgen zu können, statt wichtige Entscheidungen über dessen Kopf hinweg zu treffen.
„Durch die Zusammenarbeit mit Patienten und Ärzten ist Coordinate My Care in der Lage, einen digital unterstützten Dienst zu entwickeln und bereitzustellen, der hilft, die bestmögliche Versorgung zur oft ungünstigsten Zeit zu gewähren“, findet Riley.